Allgemeines zur EMV-Normung

Normen zur Elektromagnetischen Verträglichkeit haben in Deutschland eine lange Tradition. Mit der EMV-Richtlinie und dem Normungsauftrag an CENELEC, die notwendigen Normen zur Richtlinie zu entwickeln, ist weltweit eine neue Struktur der EMV-Normen entstanden. Sie betreffen zunächst nur die Anforderungen an Geräte.

Die elektrische Infrastruktur, in der diese Geräte in ihrer elektro-magnetischen Umgebung arbeiten, wird durch den Anlagenaufbau geprägt. Auch in diesem Bereich schreitet die Normung mit Blick auf die EMV fort. Die EMV-Richtlinie sieht Stellen vor, die einer Akkreditierung bedürfen. Hersteller suchen akkreditierte Prüflaboratorien zur Durchführung der komplexen EMVPrüfungen an ihren Produkten.
 

Normungsebenen
Die Europäische Kommission hat die CENELEC als den europäischen Normensetzer beauftragt, harmonisierte EMV-Normen zu schaffen, die die Schutzanforderungen der EG-Richtlinie in Grenzwerte für die Störaussendung und Anforderungswerte für die Störfestigkeit fassen.

Die nationalen Normensetzer müssen diese Normen zu nationalen Normen adaptieren. Hierfür ist in Deutschland als Normensetzer die Deutsche Elektrotechnische Kommission im DIN und VDE (DKE) zuständig.
 


Bild 1: Die Ebenen der Legislativen und der Normensetzer: oben: national (deutsch), mitte: regional (europäisch), unten: weltweit


Bild 1 zeigt die drei Normungsebenen

  • IEC mit weltweiter, empfehlender Bedeutung•
  • CENELEC mit europäischer, zur Harmonisierung verpflichtender Bedeutung
  • die nationale Ebene mit der DKE für Deutschland.


Es zeigt auch die Zusammenhänge mit den Legislativen.

In Deutschland gab es schon vor dem Harmoniserungsauftrag längst eine Tradition von EMV-Normen, sowohl für den Bereich des Funkschutzes als auch für die Störfestigkeit:
 

  • niederfrequente Beeinflussungen aus Schiedsstellen-Aktivitäten (Gründung 1939)
  • Netzrückwirkungen aus IEC-Arbeiten,
  • Funkschutz aus CISPR-Standards
  • Störfestigkeit aus ZVEI AK Elektronik, VG-Normenentwicklung, IEC-Arbeiten.


Schutzziele der EMV-Normen
Im Vorschriftenwerk des VDE entstanden entsprechend den Verträglichkeitsaufgaben (Bild 7, Bild 67)
 

  • Stromversorgungs- und Fernmeldenetze stellen Kopplungsmedien dar, in denen verschiedene Betriebsmittel verträglich miteinander funktionieren müssen;
  • Funkdienste müssen einen störungsfreien Empfang garantieren, in einer Umgebung, in der hochfrequente Leistungen als Störgrößen erzeugt werden können;
  • Elektronische Geräte werden durch Störgrößen beeinflußt und sollen dennoch zufriedenstellend funktionieren, bilateral orientierte Verträglichkeitsvereinbarungen, die phänomenorientiert festgelegt werden und deren Grenzwerte mit entsprechenden Meßverfahren nachzuweisen sind. Ein mehr nur schwerpunktmäßiger Normenverweis sei hier gegeben. Dabei werden aus gutem Grund nur die alten/neuen VDE-Klassifikationsnummern angegeben:
     


Bild 2: Normungsaufgaben und phänomenbezogene Festlegungen


Zur Begrenzung der Störaussendung gelten

  • VDE 0838 für Netzrückwirkungen von Geräten mit ≤ 16 A Stromaufnahme, Technische Anschlußbedingungen der EVU (siehe auch VDE 0839 Teil 1) bei höheren Strömen,
  • VDE 0875 und verwandte für die Funk-Entstörung.


Die Normen zur Funk-Entstörung verweisen auf Meßverfahren nach VDE 0877 mit Geräten nach VDE 0876.

Die Störfestigkeit ist nach VDE 0839 zu beurteilen. Themen wie

  • bestimmungsgemäße Art des Einsatzortes,
  • Anforderungsgrad an die Verfügbarkeit des Gerätes oder Folgen einer Fehlfunktion,
  • Art der Beeinflussung (Phänomenen und entsprechenden  Prüfstörgrößen),
  • Stromversorgungsleitungen,
  • Steuerleitungen,
  • Signal- und Datenleitungen,
  • die gesamte Anordnung (bei Feldern)
     

sind Ordnungskriterien für die unterschiedliche Gliederung älterer und neuer (harmonisierter) Normen.


Netzrückwirkungen
Unter Netzrückwirkungen versteht man die Wirkung von Laständerungen und von Phasenanschnittsteuerungen (Zündeinsatzsteuerungen). Das Thema Netzrückwirkungen hat eine besondere Bedeutung mit der Norm EN 60165 über die Spannungsqualität erhalten, die vorzuhalten, die Aufgabe der Stromversorgungsunternehmen ist. Entsprechend hoch ist das Interesse der Netzbetreiber, Netzrückwirkungen auf ein mögliches Minimum zu beschränken. Dem entgegen stehen die Interessen der Betreiber, möglichst hohe Lasten zu betreiben. Die Begrenzung der Netzrückwirkungen wird in der Reihe IEC 61000-3-1ff geregelt.
Einige Normen sind als Europäische Norm harmonisiert und sind unter der EMV-Richtlinie gelistet. Als VDE-Bestimmung finden sie sich in den Teilen der Reihe VDE 0838.


Spannungsschwankungen, Flicker
Spannungsschwankungen entstehen durch das Schalten von Lasten. An der Impedanz des Netzes entsteht ein Spannungsfall, der zur Spannungsänderung bei allen Verbrauchern führt, die an demselben Verknüpfungspunkt (PCC, Point of Common Coupling) betrieben werden. Zunächst zeigt Bild 3 den prinzipiellen Aufbau eines Stromversorgungsnetzes, bei dem die elektrische Energie zunächst auf Mittelspannungsebene an eine Gruppe von Kundenanschlüssen herangebracht wird. Im Bild 3 sind dies auf der linken Seite über die Fläche verteilte Hausanschlüsse, auf der rechten Seite ist es ein ganzes Hochhaus. Diese Gruppen werden über einen Verteilungstransformator gespeist, der von der Mittelspannungs- auf die Niederspannungsebene (400 V Drehstrom) transformiert.

Insbesondere seine Streuinduktivität, die Induktivität der Nieder-spannungsleitung und deren Leiterwiderstand ergeben die Impedanz, die in Bild 4 mit ZEVU bezeichnet ist.


Bild 3: Prinzipieller Aufbau eines Stromversorgungsnetzes

Über diese Impedanz sind die Verbraucher miteinander gekoppelt, und das EVU muß die Spannungsqualität nach EN 60165 an dieser Impedanz gewährleisten. Dies ist der Fall in Bild 4 am Zähler des EVU-Kunden. Das heißt, dass beim Schalten im Bereich des einen Kunden am Zähler des anderen Kunden die Spannungsänderung im erlaubten Bereich liegen muß.

Die Höhe der Netzimpedanz ist in IEC 61000-3-3 als Referenzimpedanz festgelegt, z. B. für den einphasigen Stromkreis L-N:

R = 0,24 Ω + j 0,15 Ω +0,16 Ω + j 0,10 Ω
|R| ≈ 0,5 Ω


Die Impedanz der Kunden-Installation ergibt sich aus den einschlägigen Installationsregeln. Hier müssen die Impedanzen so sein, dass im Falle eines Kurzschlusses oder Körperschlusses (Schutzklasse I) ein hinreichend hoher Strom fließen kann, um den Schutzschalter zur Auslösung zu bringen. Länge und Querschnitt der Leiter ergeben diesen Schleifenwiderstand, der mit einer Leitungslänge von 17 m und einem Leiterquerschnitt von 1,5 mm2 in derselben Größenordnung liegt.



Bild 4: Das Stromversorgungsnetz und seine Impedanzen
 

Die EMV-Normen für Geräte
Mit dem Normungsauftrag an die CENELEC, EMV-Normen zu entwickeln, verband sich die Erwartung, sozusagen in einer Stunde null die schon bestehenden „klassischen“ EMV-Normen neu zu ordnen und zu vereinfachen. Hierzu reichte in Europa und in der Welt die Kraft nicht. So blieben die Normen der  Störaussendung als „standing standards“ stehen, während die neue Struktur praktisch nur auf die neue „Hälfte“, die Normen zur Störfestigkeit angewandt wurde.


Normenstruktur
Die europäische EMV-Normenentwicklung gestaltet sich für die deutsche Auffassung nach dem neuen Prinzip sehr harmonisch:
Fachgrundnormen (generic standards) beschreiben die Anforderungen für Störaussendung und Störfestigkeit unter Berücksichtigung der Umgebungsart, z.B. Wohnbereich, Industrie. Sie erscheinen mit europäischer Numerierung und sind als VDE 0839 klassifiziert.

Sie sind von demselben prinzipiellen Inhalt, wie er oben beschrieben ist, die innere Gliederung nach den Dimensionen Schnittstellen / Umgebung / Grenzwerte (Bild 5) sind unterschiedlich.
 


Bild 5: Schnittstellenmodell für Einrichtungen im Wohnbereich und ähnlichen elektromagnetischen Umgebungen (oben), Industriebereich (unten)


Grundnormen, (basic standards) sind die Grundlage phänomenbezogener Meßverfahren zum Nachweis der EMV, des Einhaltens der geforderten Grenzwerte. Sie werden mit ihrer Harmonisierung ebenfalls mit europäischer Numerierung erscheinen und als VDE 0847 klassifiziert werden. Sie entsprechen inhaltlich der heutigen DIN VDE 0847, beschreiben allerdings auch die Meßmittel, wenn auch nicht so detailliert wie DIN VDE 0846.

Produktnormen (product standards) werden den besonderen Anforderungen bestimmter Produkte hinsichtlich ihres Betriebes beim Messen und der Bewertung ihrer Funktionsstörungen gerecht. Sie haben Vorrang vor den beiden oben genannten Standardgruppen, ohne ihnen zu widersprechen. Der Zusammenhang zwischen den drei Normentypen ist in Bild 6 verdeutlicht.

Nach der Begriffsdefinition (DIN VDE 0800) bedeutet EMV, daß eine elektrische Einrichtung

  • ihre elektromagnetische Umgebung nicht unzulässig beeinflußt,
  • zufriedenstellend funktioniert (auch bei Beeinflussung durch Störgrößen, die in dieser Umgebung üblich sind).


Bild 6: Zusammenhang zwischen generalisierenden Fachgrundnormen, Grundnormen und Produkt(familien)normen
 

Hinsichtlich der Störaussendung steht die Ordnungsaufgabe im Vordergrund; im wesentlichen soll der Funkempfang geschützt werden, die Stromversorgungs- bzw. Spannungsqualität des Niederspannungsnetzes soll auf einem annehmbaren Niveau erhalten bleiben. Die Sicherheit des Funkempfangs muß für sicherheitsbedeutsame Dienste (Katastrophenschutz, Flugfunk und ähnliche) uneingeschränkt sichergestellt sein. Das leisten die Normen für die Störaussendung. — Sicherheitskreise bei Maschinen müssen viel höheren Störpegeln widerstehen können, wie sie von industriellen Sendern ausgehen.

Die Fachgrund- und Grundnormen zur Prüfung und Beurteilung der Störfestigkeit verlangen grundsätzlich, dass der Prüfling in keinem Prüffall eine unsichere Funktion annehmen darf. Ansonsten geht es um die Sicherstellung der bestimmungsgemäßen Funktion. Die Prüfanforderungen orientieren sich an wirtschaftlichen Erwägungen und der Wahrscheinlichkeit bestimmter Störpegel an üblichen Einsatzorten.

Inzwischen requirieren Normen, die bisher im wesentlichen Sicherheitsan-forderungen behandelten, auch die EMV nach der EMV-Richtlinie; und sie behandeln diese Festlegungen ganz in diesem Sinne (bestimmungsgemäßer Betrieb, bestimmungsgemäße Funktion), aber nicht unter dem Aspekt der Sicherheit. Hierfür müßten jedoch höhere Anforderungen unter Erhalt der Sicherheit gefordert werden.


Normeninhalte
Die Normen der Störaussendung beziehen sich in ihrer größten Anzahl auf die Funk-Entstörung. Sie sind alle produktorientiert, haben eine grundsätzliche Beziehung zu CISPR 16 und definieren sehr umfangreiche eigene meßtechnische Regelungen:
 

  • EN 55013 VDE 0872 Funk-Entstörung von Rundfunk- Empfangsgeräten und anschließbaren Geräten
  • EN 55011 VDE 0875 Teil 11 Funk-Entstörung von industriellen, wissenschaftlichen und medizinischen (ISM) Geräten
  • EN 55014 VDE 0875 Teil 14 Funk-Entstörung von Hausgeräten und ähnlichen
  • EN 55015 VDE 0875 Teil 15 Funk-Entstörung von Leuchten und Leuchtenzubehör
  • EN 55022 VDE 0878 Funk-Entstörung von informationstechnischen Einrichtungen (ITE)
  • EN 60601-1-2 VDE 0750 Teil 1-2 EMV von Elektromedizingeräten
  • EN 61800-3 VDE 0160 Teil 100 Drehzahlveränderbare elektrische Antriebe, EMV-Norm


Hinsichtlich der Netzrückwirkungen werden alle Produkte mit Stromaufnahmen ≤ 16 A in

  • EN 61000-3-2 VDE 0838 Teil 2 Netzrückwirkungen: Oberschwingungen
  • EN 61000-3-3 VDE 0838 Teil 3 Netzrückwirkungen: Spannungsschwankungen zusammengefaßt,
  • EN 60601-1-2 VDE 0750 Teil 1-2 EMV von Elektromedizingeräten nimmt Elektromedizingeräte vorerst aus.
  • EN 61800-3 VDE 0160 Teil 100 Drehzahlveränderbare elektrische Antriebe, EMV-Norm gibt einen detaillierten Rahmen für bestimmte Anwendungen.


Die Fachgrundnormen EN 50081-1 und -2 sind praktisch ohne Belang und haben keine entsprechenden Grundnormen.

Die Störfestigkeit wird in den Fachgrundnormen

  • EN 50082-1 VDE 0839 Teil 82-1 Störfestigkeit von Geräten im Wohn-, Büround gewerblichen Bereich
  • EN 50082-2 VDE 0839 Teil 82-2 Störfestigkeit von Geräten im industriellen Bereich und in Produktnormen, z. B.
  • EN 55014-2 VDE 0875 Teil 14-2 Störfestigkeit von Hausgeräten und ähnlichen
  • EN 55024 VDE 0878 Teil 24 Störfestigkeit von informationstechnischen Einrichtungen
  • EN 60601-1-2 VDE 0750 Teil 1-2 EMV von Elektromedizingeräten
  • EN 61800-3 VDE 0160 Teil 100 Drehzahlveränderbare elektrische Antriebe, EMV-Norm


wachsender Zahl geregelt.

Diese Normen nehmen Bezug auf die Grundnormen für die Phänomene:

  • Spannungseinbrüche, -unterbrechungen EN 61000-4-11 0847 Teil 4-11
  • Magnetfelder mit energietechn. Frequenzen EN 61000-4-8 0847 Teil 4-8
  • Stoßspannungen (Surge) EN 61000-4-5 0847 Teil 4-5
  • Impulsförmige Magnetfelder EN 61000-4-9 0847 Teil 4-9
  • Schnelle transiente Störgrößen (Burst) EN 61000-4-4 (IEC 801-4) 0847 Teil 4-4 (0843 Teil 4)
  • Entladung statischer Elektrizität (ESD) EN 61000-4-2 (EN 60801-2)0847 Teil 4-2 (0843 Teil 2)
  • Störgrößen von 0 Hz bis 150 kHz EN 61000-4-16 0847 Teil 4-16
  • „Hochfrequente Einströmung“ EN 61000-4-6 0847 Teil 4-6
  • „Hochfrequente elektromagnetische Felder“ EN 61000-4-3 0847 Teil 4-3
  • HEMP-Störgrößen EN 61000-4-24 0847 Teil 4-24
  • Gedämpft schwingende Impulse EN 61000-4-12 0847 Teil 4-12
  • Gedämpft schwingende Magnetfelder EN 61000-4-10 0847 Teil 4-10


Zu den Grundnormen erscheinen Anhänge, die einzelne Normenabschnitte korrigieren oder ersetzen. Für normgerechtes Prüfen ist also durch ein ständiges Normenstudium zu sorgen.


Übergangszeiten für die Anwendung von Normen
Normen dienen der Beurteilung der Konformität von Produkten mit den wesentlichen Schutzanforderungen der Richtlinie (nach der neuen Konzeption). Hierzu wird vorausgesetzt, dass sie im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (OJEC) veröffentlicht sind. Nach allen vorausgegangenen Entwurfs- und Harmonisierungsphasen gibt es folgende wesentliche Termine (Bild 7) im Leben der nun geltenden Norm bzw. Normen hinsichtlich ihrer Anwendung:
 

  • spätestes Datum, zu dem die EN auf nationaler Ebene durch Veröffentlichung einer identischen nationalen Norm oder durch Anerkennung übernommen werden muß (dop): jjjj-mm-tt
  • spätestes Datum, zu dem die nationalen Normen, die der EN entgegenstehen, zurückgezogen werden müssen (dow): jjjj-mm-tt


Diese Daten werden im wesentlichen auf Grund technischer und wirtschaftlicher Erwägungen von CENELEC festgelegt. Die Europäische Kommission verweist auf die Normen aus juristischer Sicht. Ab der Veröffentlichung (dop) kann eine Norm aus der Sicht des Normensetzers angewandt werden. Für die Vermutung der Konformität mit den wesentlichen Anforderungen der Richtlinie entscheidet jedoch die Veröffentlichung der Norme im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (OJEC).

Bild 7: Übergang auf neue Normen


In der Vergangenheit wurde fallweise eine Zertifizierungsklausel (cc) hinzugefügt, nach der Produkte, wenn sie umgeändert nach der zum dow zurückgezogenen Norm weiter gefertigt werden, bis zu einem späteren festgelegten Termin weiter gefertigt werden durften. Dieses Verfahren kollidiert mit der Vorstellung der Europäischen Kommission über die CE-Kennzeichnung, die sich auf jede einzelne gekennzeichnete Einheit bezieht. Danach muß die Vermutung der Konformität mit den wesentlichen Schutzanforderungen der betreffenden Richtlinie mit augenblicklich geltenden Normen belegt sein.

Hieraus folgt ein • Datum, zu dem die Gültigkeit von nationalen Normen, die der neuen EN entgegenstehen, für die Anwendung zur Vermutung der Konformität erlischt (doc): jjjj-mm-tt das von der Kommission festgelegt wird. Es ist zwischen Kommission und CENELEC verabredet, daß die Kommission doc = dow setzt. Folgende Übergänge sind grundsätzlich zu bedenken:

 

  • Von der alten Fachgrundnorm zur neuen Fachgrundnorm
    Für den Übergang von einer alten Fachgrundnorm auf eine neue Fachgrundnorm gilt das oben Gesagte.
     
  • Von der alten Produktnorm zur neuen Produktnorm
    Für den Übergang von einer alten Produktnorm auf eine neue Produktnorm gilt das oben Gesagte.
     
  • Von der Fachgrundnorm zur (neuen) Produktnorm
    Solange für ein Produkt nicht eine eigene Produktnorm — insgesamt oder nur für einen Teil der EMV-Aspekte — besteht, sind entsprechend die Fachgrundnormen anzuwenden. Wird für ein Produkt oder für eine Produktfamilie eine eigene Norm veröffentlicht (und im OJEC gelistet), gilt diese neue Norm ab dop neben der bis dato geltenden Normenlage und ausschließlich ab dow (= doc).
     
  • Prüfung und Zertifizierung
    Wenn der Hersteller alles tut, was von ihm verlangt wird, bleiben ihm zwei Fragen unbeantwortet:
    • Haben wir das Klassenziel wirklich erreicht?
    • Wie können wir dem Kunden unsere Qualität ausweisen?
    • Und wie können wir das zum halben Preis bekommen?


Dies sind vorrangig wirtschaftliche Aspekte, die bereits weiter oben erörtert wurden; aber zweimal versteckt sich in den Fragen das Phänomen Vertrauen: das Vertrauen des Herstellers in die eigene Prüfung, die vielleicht nicht normgerecht und nur in begrenzter Vollkommenheit durchgeführt werden konnte, und das Vertrauen des Kunden in die Qualitätsversprechen des Herstellers. Die Aussage eines unabhängigen Dritten als Prüfer und als Zertifizierer schafft Vertrauen bei Herstellern und Kunden. Bild 8 deutet die Interdependenzen zwischen den Marktbeteiligten an, ohne dass hier weiter auf die Einzelheiten eingegangen werden soll.

Bild 8: Interdependenzen der Marktbeteiligten


Im folgenden werden die Anforderungen an die gesetzlich geforderten Stellen und die im privatwirtschaftlichen Bereich tätigen Prüf- und Zertifizierungsinstitute besprochen.

Stellen im gesetzlich geregelten Bereich Die EMV-Richtlinie nennt zwei Arten von Stellen, die durch ihre Administration die EG-Konformitätserklärung des Herstellers ergänzen oder relativieren: Es sind diese

• die zuständige Stelle (competent body). Sie ist nach Artikel 10.2 der EG-Richtlinie bzw. § 4(2) EMVG einzuschalten, wenn ein Produkt zu beurteilen ist, für das keine Normen bestehen oder wenn Abweichungen hiervon notwendig sind. Die zuständige Stelle bestätigt, daß dennoch die Schutzanforderungen der EG-Richtlinie erfüllt sind. Im Sinne des EMV-Gesetzes ist die zuständige Stelle die Stelle, die technische Berichte oder Bescheinigungen im Sinne des § 4(2) über die Einhaltung der Schutzanforderungen ausstellt. Sie muß 
 

  • erforderliches Personal sowie entsprechende Mittel und Ausrüstungen
  • technische Kompetenz und berufliche Integrität des Personals
  • Unabhängigkeit der Führungskräfte und des technischen Personals von allen Kreisen, Gruppen oder Personen, die direkt oder indirekt am Markt des betreffenden Erzeugnisses interessiert sind, hinsichtlich der Durchführung der Prüfverfahren und der Erstellung der Berichte, der Ausstellung der Bescheinigungen und der Überwachungstätigkeiten gemäß der EMV-Richtlinie
  • Einhaltung des Berufsgeheimnisses durch das Personal
  • Abschluß einer Haftpflichtversicherung, sofern die Haftung nicht auf Grund innerstaatlicher Rechtsvorschriften vom Staat getragen wird, sicherstellen. Die Akkreditierung und die Überwachung der zuständigen Stellen erfolgt durch das BAPT. Das Gesetz läßt allerdings diese Akkreditierung auch durch eine andere dazu ermächtigte Stelle eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaften zu. Die Unabhängigkeit ist aus hoheitlicher (Ministerien für Post und Telekommunikation, Wirtschaft, Arbeit) Sicht das größte Problem für die Anerkennung eines (wenn auch akkreditierten) Firmen-Prüflaboratoriums als zuständige Stelle. Mit der Schaffung eines Lenkungsgremiums ist dies möglich.

• die benannte Stelle (notified body) Sie ist nach Artikel 10.4 der EG-Richtlinie bzw. § 5 EMVG für das Inverkehrbringen und Betreiben eines Sendefunkgerätes einzuschalten. Die benannte Stelle stellt EG-Baumusterbescheinigungen im Sinne des § 5 EMVG über die Einhaltung der Schutzanforderungen der Richtlinie aus. Für die benannten Stellen gilt entsprechendes wie für zuständige Stellen. Sie werden vom BAPT benannt und der Europäischen Behörde gemeldet (notified body). Die Zahl der benannten Stellen wird jedoch begrenzt bleiben. Mit Blick auf die Funkhoheit des Bundes und die Beschränkung auf Sendefunkeinrichtungen besteht hier kein Bedarf an eine Verbreiterung der Zulassungsbasis. Beide Stellen müssen nach § 2(10) und (11) von der RegTP anerkannt sein. Sie sind nach DIN EN 45011 als Zertifizierungsstellen zu begutachten, wobei die Aufgabe der Serien- und Marktüberwachung vom BAPT selbst wahrgenommen wird. Die Akkreditierung der zuständigen Stellen und der benannten Stelle obliegt der RegTP.

  • Unabhängigkeit der Führungskräfte und des technischen Personals von allen Kreisen, Gruppen oder Personen, die direkt oder indirekt am Markt des betreffenden Erzeugnisses interessiert sind, hinsichtlich der Durchführung der Prüfverfahren und der Erstellung der Berichte, der Ausstellung der Bescheinigungen und der Überwachungstätigkeiten gemäß der EMV-Richtlinie
  • Einhaltung des Berufsgeheimnisses durch das Personal Abschluß einer Haftpflichtversicherung, sofern die Haftung nicht auf Grund innerstaatlicher Rechtsvorschriften vom Staat getragen wird, sicherstellen. Die Akkreditierung und die Überwachung der zuständigen Stellen erfolgt durch das BAPT. Das Gesetz läßt allerdings diese Akkreditierung auch durch eine andere dazu ermächtigte Stelle eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaften zu. Die Unabhängigkeit ist aus hoheitlicher (Ministerien für Post und Telekommunikation, Wirtschaft, Arbeit) Sicht das größte Problem für die Anerkennung eines (wenn auch akkreditierten) Firmen-Prüflaboratoriums  als zuständige Stelle. Mit der Schaffung eines Lenkungsgremiums ist dies möglich.

 
• die benannte Stelle (notified body) Sie ist nach Artikel 10.4 der EG-Richtlinie bzw. § 5 EMVG für das Inverkehrbringen und Betreiben eines Sendefunkgerätes einzuschalten. Die benannte Stelle stellt EG-Baumusterbescheinigungen im Sinne des § 5 EMVG über die Einhaltung der Schutzanforderungen der Richtlinie aus. Für die benannten Stellen gilt entsprechendes wie für zuständige Stellen. Sie werden vom BAPT benannt und der Europäischen Behörde gemeldet (notified body). Die Zahl der benannten Stellen wird jedoch begrenzt bleiben. Mit Blick auf die Funkhoheit des Bundes und die Beschränkung auf Sendefunkeinrichtungen besteht hier kein Bedarf an eine Verbreiterung der Zulassungsbasis.
 
Beide Stellen müssen nach § 2(10) und (11) von der RegTP anerkannt sein. Sie sind nach DIN EN 45011 als Zertifizierungsstellen zu begutachten, wobei die Aufgabe der Serien- und Marktüberwachung vom BAPT selbst wahrgenommen wird. Die Akkreditierung der zuständigen Stellen und der benannten Stelle obliegt der RegTP.

Bild 9: Zuständigkeiten bei der Akkeditierung

 

Grundsätzlich ist das BAPT (Bild 9) für die Akkreditierung von Stellen zuständig, wenn diese im gesetzlich geregelten Bereich hoheitliche  Aufgaben wahrnehmen. So verlangt das BAPT, daß zuständige Stellen ihre Entscheidung auf der Grundlage von Prüfberichten von Prüflaboratorien fällen, die nach DIN EN 45001 arbeiten und nach DIN EN 45002 begutachtet sind.
 
Solche Begutachtungen werden vom BAPT, dem KBA der DEKITZ und der DATech geleistet. Sie bedienen sich hierbei eines Kreises gemeinsamer Begutachter, die nach gemeinsamen Begutachtungsrichtlinien arbeiten. Diese wurden vom Sektorkomitee SK EMV der Deutschen Akkreditierungsstelle Technik (DATech) erarbeitet und werden dem Gang der Normung angepaßt. Das Sektorkomitee wahrt die Qualität der Begutachtung. Von der DATech gegründet, ist es von Anbeginn Gemeinschafts-SK für die Belange der EMV mit der Deutschen Koordinierungsstelle für ITKonformitätsprüfung und Zertifizierung (DEKITZ); nach Klärung der rechtlichen Situation schloß sich im selben Sinne das BAPT an. Auch die Zentrale Länderstelle für Sicherheitstechnik (ZLS) und das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) arbeiten im SK EMV mit und legen dessen Regeln ihrer Anerkennungstätigkeit zu Grunde.


Prüflaboratorien im privatwirtschaftlichen Bereich
Nutzt ein Hersteller oder Importeur die Dienste eines Prüflabors, ist er selten in der Lage, die Kompetenz des Labors zu überprüfen. Hier liegt es nahe, auf anerkannte Laboratorien zu setzen, anerkannt durch sogenannte Akkreditierungsstellen.


In Deutschland wurde 1990 das Sektorkomitee EMV der DATech gegründet, mit der Aufgabe, die Anforderungen für die Akkreditierung von EMV-Prüflaboratorien zu formulieren und die Grundlagen der Akkreditierung zu schaffen. Im Jahre 1991 konnte das Sektorkomitee auf der Basis seiner Grundlagen die ersten Akkreditierungen von EMV-Prüflaboratorien begleiten.

Bild 10: Die drei Säulen der Akkreditierung


Die Akkreditierung von EMV-Prüflaboratorien ruht auf drei Säulen (Bild 10), die sich auf DIN EN 45001 und 45002 gründen, wobei die Regeln für Qualitätssicherungssysteme nach ISO 9000 der Maßstab für die formale Begutachtung sind. Der Begutachtung der technischen Kompetenz wird in Deutschland sehr viel Bedeutung beigemessen. Das Regelwerk der DKE ist sehr gut ausgearbeitet, um die Vielzahl möglicher EMV-Prüfungen beschreibbar, interpretierbar und ausführbar zu machen. Das deutsche Normenwerk ist orientiert an der IEC-Entwicklung, umgekehrt werden bewährte Meßverfahren in die IEC-Arbeit übernommen und weiterentwickelt. So sah sich das Sektorkomitee gut beraten, phänomenorientiert die Meßverfahren aufzulisten und die verfügbaren Normen nach einheitlicher Struktur mit minimalem Aufwand zu beschreiben.  Diese einzelnen Beschreibungen heißen ursprünglich Prüfbausteine, wurden aus gutem Grund Begutachtungsbaustein genannt, wobei sich der ursprüngliche Name weiterhin berechtigter Beliebtheit erfreut. Eine Begriffsklärung durch den Lenkungsausschuß der DATech wir erwartet. Der Zusammenhang zwischen Begutachtung eines Laboratoriums und Prüfung eines Gerätes wird in Bild 11 verdeutlicht.
 


Bild 11: Der Zusammenhang zwischen Begutachtung, Prüfung und den hierzu notwendigen Bausteinen

 

Die gesamte EMV-Prüfung greift auf eine überschaubare Menge von Bausteinen, von Prüfbausteinen zurück. Ob die technische Ausrüstung vorhanden ist, um diese Messungen durchführen zu können, kann der Begutachter anhand der Begutachtungsbausteine ermitteln. Die Struktur der Prüfbausteine (Bild 12) orientiert sich zunächst an den Aufgaben, die Störaussendung und die Störfestigkeit zu beurteilen. Die beste technische Ausstattung ist wertlos, wenn sie nicht fachgerecht angewendet werden kann. Deshalb hat der Begutachter die Aufgabe, auch auszuloten, ob das Personal des Prüflaboratoriums über eine ausreichende Kompetenz verfügt. Sicher ist diese Aufgabe schwierig und muß sehr einfühlsam verfolgt werden. Wichtig ist, daß der Sinn der Prüfung auf der Basis der physikalischen Zusammenhänge verstanden wird, daß die Normen im Sinne der Schutzanforderungen der EG-Richtlinie interpretiert werden können und die Verantwortung für die Prüfergebnisse richtig erkannt wird.

Auch hier helfen die Begutachtungsbausteine, das Gespräch zu führen und die Fähigkeit zur sachgerechten Prüfung festzustellen. Mit der Akkreditierung geht der Laborleiter auch die Verpflichtung ein, sich und seine Mitarbeiter ständig auf dem neuesten normativen Wissensstand zu halten. Die weitere Arbeit des Sektorkomitees wird auch dafür sorgen, daß durch geeignete Veranstaltungen für einen Erfahrungsaustausch zwischen den Prüflaboratorien gesorgt wird, wodurch dann die Normenarbeit in besonderer Weise befruchtet wird. Die formale Integrität des Laboratoriums ist in EN 45001 und Anhang 2 der EG-Richtlinie beschrieben. Im Vordergrund steht die Unabhängigkeit. Nicht unterschätzt dürfen aber die vielen formalen Voraussetzungen für eine verantwortungsbewußte Projektbearbeitung werden, die hier nur angedeutet seien: Vertrauliche Behandlung des Vorgangs, Projekt- und Prüflingsidentifikation, Reproduzierbarkeit der Prüfung, Qualitätserhaltung der Prüfeinrichtungen.

Bild 12: Struktur der technischen Begutachtungsbausteine


Um die elektromagnetische Verträglichkeit eines Produktes kompetent beurteilen zu können, benötigt ein Prüflaboratorium eine entsprechende technische und personelle Ausstattung. Bild 12 veranschaulicht nochmals, daß zur Beurteilung bestimmter Produkte Prüfbausteine für Störaussendung und Störfestigkeit vorhanden und bedienbar sein müssen. Mit der Vielfalt der Produkte und der Bausteine wächst notwendigerweise der Aufwand für eine umfassende Kompetenz. Das Verfahren zur Akkreditierung stellt sicher, dass die Aufgabe verantwortungsvoller Prüfung, die gesetzlichen Anforderungen  standhält, von akkreditierten Laboratorien geleistet werden kann. Insbesondere sind Prüfungen aufgrund von Fachgrundnormen und Grundnormen, auch im Entwurfsstadium, von einem akkreditierten Prüflaboratorium zu bewältigen. Die Leistungsfähigkeit eines Prüflaboratoriums zeigt sich im Umfang der verfügbaren Prüfbausteine und der damit abprüfbaren Menge an unterschiedlichen Produkten (Bild 13).
 

Bild 13: Technische Kompetenz zur Produktprüfung


Zertifizierung im privatwirtschaftlichen Bereich Mit der Produktzertifizierung beauftragt der Hersteller ein unabhängiges Institut, durch geeignete Maßnahmen angemessenes Vertrauen zu schaffen, daß ein Produkt bestimmte, meist genormte Eigenschaften hat. — Beim VDE Prüf- und Zertifizierungsinstitut zum Beispiel beruht die Zertifizierung auf einer Prüfung durch die zuständige Prüfabteilung, auf der Grundlage harmonisierter Normen. Der VDE genehmigt dem Hersteller die Benutzung des entsprechenden Prüfzeichens (Bild 14), wodurch ausgedrückt wird, dass das Produkt vom VDE-Institut mindestens auf Normenkonformität geprüft ist und daß der VDE eben solche vertrauensbildende Maßnahmen verfolgt. Hierzu gehören:

  • Sicherstellung, daß der Hersteller über geeignete Fertigungsprozesse verfügt,
  • Verpflichtung des Herstellers, alle Veränderungen am Produkt dem VDE-Institut mitzuteilen,
  • Entnahme und Nachprüfung von Erzeugnissen aus dem Lager des Herstellers oder dem Markt.


Bild 14: Beispiele von VDE-Prüfzeichen für Sicherheit (links) und EMV (rechts)

 

Autor: Erimar A. Chun